Komödie "Kleine Tricks"

Die Sonne im Herzen

Von Daniel Sander

Einer der bislang schönsten Filme dieses Jahres kommt aus Polen - in "Kleine Tricks" versucht ein Junge, das Schicksal zu überlisten und seinen abgehauenen Vater zurück zur Mutter zu lenken.

Polnisches Kino, das klingt erstmal grau. So ähnlich wie deutsches Kino, nur noch trister.

Das sind natürlich böse Vorurteile, denn wie viele polnische Filme kennt man schon? Krzysztof Kieslowski ist lange tot, Roman Polanski hat vor Jahrzehnten die französische Staatsbürgerschaft angenommen, und wenn es polnische Entdeckungen gibt, dann findet sich kaum ein deutscher Verleih, der ihnen hierzulande in den Kinos etwas zutraut.

Dass "Kleine Tricks" von Andrzej Jakimowski heute mit immerhin 40 Kopien in Deutschland startet, ist damit schon einmal ungewöhnlich. Aber notwendig. Der Film ist einfach zu gut.

Dabei sind die Voraussetzungen für düstere Langeweile eigentlich gegeben: Der siebenjährige Stefek (Damian Ul) lebt mit seiner stets schuftenden Mutter und seiner älteren Schwester Elka (Ewelina Walendziak) in einer verfallenden Kleinstadt, in der nichts passiert, außer dass manchmal ein paar Züge durchfahren.

Während Elka von einem Ausweg aus ihrem Tellerwäscherjob und einer Zukunft in einem internationalen Konzern träumt, verbringt Stefek den Sommer damit, in der Nähe des Bahnhofs herumzugeistern. Denn in einem der dort täglich umsteigenden Pendler glaubt er seinen Vater erkannt zu haben, der die Familie verlassen hat, bevor sein Sohn ihn kennenlernen konnte.

In der Theorie eine traurige Geschichte. Schlechte Laune aber lässt Regisseur Jakimowski gar nicht erst zu. Von Anfang an taucht er die öde Provinz in tiefe und satte Farben, in ein Licht wie im venezianischen Spätsommer.

Eine wohlige Melancholie liegt über den Dingen, die Schwere des Alltags stets im Hintergrund. Doch davon lassen sich die Hauptfiguren nicht beeindrucken. Durchweg warmherzige und liebenswerte Menschen bevölkern diesen Film, es gibt keine Bösewichte, die Leute helfen sich, sie haben sich gern, kleine Fehler machen sie nur noch menschlicher.

Pragmatisch, träumerisch, optimistisch.

Am rührendsten ist die Beziehung des Geschwisterpärchens.

Die etwa zehn Jahre ältere Elka passt immer auf ihren Bruder auf, hört sich an, was er zu sagen hat, nimmt ihn auch mal mit, wenn sie mit ihrem Freund einen Ausflug zum See macht.

Für den Kleinen ist sie die Hauptbezugsperson; wenn sie ein Vorstellungsgespräch hat, rührt er sich stundenlang nicht vom Firmenparkplatz.

Sie verrät ihm dafür, wie man das Schicksal überlistet und das Glück zu seinen Gunsten wendet: wie man zum Beispiel die Menschen ohne Worte dazu bringt, bei einem von Absatzproblemen geplagten Apfelverkäufer ihr Obst zu kaufen, oder wie man eine Papiertüte in einen bestimmten Mülleimer befördert, ohne sie selbst hineinwerfen zu müssen.

Stefek ist begeistert. Und beschließt, dass er mit solch kleinen Tricks doch auch seinen mutmaßlichen Vater nach Hause befördern könnte.

Nicht alles wird sich restlos zum Guten wenden in diesem Film, es gibt Hindernisse und Enttäuschungen, so wie das nun mal ist im Leben.

Die Kunst ist es, mit ihnen umzugehen. Und wenn man erstmal Stefeks Grundoptimismus verinnerlicht hat, ist am Ende nichts mehr so schlimm. Dieser Junge hat die Sonne im Herzen.

"Kleine Tricks" erzählt davon, wie schön und einfach das Leben sein kann, wenn man die richtige Einstellung hat. Und er tut dies so heiter und entspannt wie kein anderer Film in diesem Sommer. 40 Kopien sind nicht wirklich viel, vielleicht muss man ein wenig suchen, bis man ein Kino findet, das den Film zeigt. Finden Sie eins! Es lohnt sich.

online:
http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,637593,00.html